ARBEITSWELT UND FACHKRÄFTEBEDARF

Gastkommentar von Mag. Wolfgang Bliem, Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft

WANDEL UND VERÄNDERUNG

Viel hört und liest man über die Veränderung der Arbeitswelt. Damit stellt sich für Jugendliche die Frage, welche Berufe und Ausbildungen besonders zukunftsträchtig sind und sich durch Arbeitsplatzsicherheit, hohes Einkommen und vielleicht auch noch gutes Image auszeichnen. Der Maturant:innen-Guide liefert dafür einige Anhaltspunkte. Für eine echte „Hitliste“ wandelt sich die Berufs- und Arbeitswelt aber einfach zu schnell.

Zwei Themen beherrschen die Diskussion über die Arbeitswelt und Beschäftigungschancen ganz besonders: die Digitalisierung und der Fachkräftemangel. Das scheinbar Paradoxe dabei: Während die Digitalisierung gerne (zu Unrecht) als Job-Killer dargestellt wird, suchen viele Betriebe und Branchen händeringend nach talentiertem und engagiertem Nachwuchs.

ALLES DIGITAL?

Natürlich hat die Entwicklung und Verbreitung neuer (digitaler) Technologien das Potenzial, bestimmte Arbeitsplätze zu ersetzen. Besonders Jobs, in denen immer wieder die gleichen, standardisierten Arbeiten ausgeführt werden, können davon betroffen sein.

Allerdings bestehen die meisten Berufe aus einer Vielzahl unterschiedlicher Tätigkeiten, und oft können nur einzelne davon von Robotern, automatisierten Anlagen, Programmen und Algorithmen übernommen werden. Das bedeutet, nur die wenigsten Berufe verschwinden vollkommen, aber praktisch alle verändern sich und entwickeln sich weiter. Gleichzeitig entstehen neue Tätigkeitsfelder. Noch vor ein paar Jahren war kaum eine Rede von Datenanalysten, Social-Media-Expert:innen, KI-Spezialist:innen, Robotiker:innen usw. Inzwischen gibt es dafür zahlreiche Ausbildungsmöglichkeiten.

Auch sollte nicht übersehen werden, dass es viele weitere Einflüsse gibt, die die Arbeitswelt verändern: Globalisierung, demografische Entwicklung, Urbanisierung, Gesundheit oder veränderte Lebensstile sind nur einige Trends, die großen Einfluss darauf haben, wie und was wir arbeiten. Mit dem Klimawandel und der Energiekrise treten außerdem Fragen der Nachhaltigkeit und damit Green Jobs immer stärker in den Mittelpunkt.

DAS WKO-FACHKRÄFTERADAR

Ein Tool, das dabei hilft, einen Überblick über den Bedarf an Fachkräften in Berufen und Berufsgruppen zu bekommen, ist das Fachkräfteradar der Wirtschaftskammer Österreich.

Im Rahmen dieses Tools werden aus statistischen Quellen und Unternehmensbefragungen umfassende Analysen zum aktuellen und künftigen Fachkräftebedarf erstellt. Unter anderem wird dabei die Zahl der gemeldeten Arbeitsuchenden mit der Zahl der offenen Stellen verglichen und daraus der sogenannte Stellenandrang errechnet. Dieser zeigt, wie viele Arbeitsuchende auf eine offene Stelle kommen. Das Spannende daran: Diese Information steht sowohl für einzelne Berufe (bzw. Berufsgruppen) als auch für die jeweilige Wohnregion (Bezirk) zur Verfügung. Damit bekommt man einen raschen und gleichzeitig differenzierten Überblick über den aktuellen Bedarf an Fachkräften im gewünschten Beruf und in der Region, in der man lebt oder arbeiten möchte.

Die Ergebnisse des Fachkräfteradars zeigen sowohl insgesamt als auch in einzelnen Berufen und Berufsgruppen große regionale Unterschiede. So wie sich die Bevölkerung nicht gleichmäßig über das Land verteilt, sind auch Betriebsstandorte und Arbeitsplätze ungleichmäßig verteilt und je nach Branche in bestimmten Regionen stärker konzentriert. Die Herausforderung besteht darin, Maßnahmen zu entwickeln, die einen Ausgleich zwischen Regionen mit erhöhtem Fachkräftebedarf und jenen mit Überschuss schaffen. Dabei spielt das Thema Arbeitskräftemobilität eine große Rolle.

Im Fachkräfteradar wird außerdem deutlich, dass sich der Bedarf längst nicht auf die gerne kolportierten MINT-Berufe (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) beschränkt. Auch wenn es sich dabei definitiv um
Bereiche mit guten Zukunftsaussichten handelt, gibt es für alle, die sich nicht für den MINT-Bereich interessieren, zahlreiche andere Bereiche mit regional hohem Bedarf: z. B. Gesundheit & Pflege, Bau, Handwerk.

Neugierig geworden? Mehr dazu unter:
www.wko.at/fachkraefte

Die Berufs- und Arbeitswelt wandelt sich schnell. Mit dem WKO-Fachkräfteradar verschafft man sich einen guten Überblick über den Bedarf an Fachkräften nach Berufen, aber auch nach Regionen.

WORAUF KOMMT ES AN?

 

Ein paar Anhaltspunkte für Kompetenzen, Berufe und Ausbildungen, die als zukunftsträchtig gelten (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

  • Praktisch alles, was mit IT, Social Media, Datenanalyse, Datensicherheit und Künstlicher Intelligenz (KI) zu tun hat.
  • Forschung, Entwicklung und Produktion im High-Tech-Bereich: z. B. Mechatronik, Robotik, Biotechnologie, Kybernetik, Elektromobilität.
  • Tätigkeiten, in denen es wichtig ist, verschiedene Fachbereiche zu verbinden, Zusammenhänge zu verstehen und Prozesse zu gestalten.
  • Alles, was typisch menschliche Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, „soziale Intelligenz“ erfordert; z. B. beraten, betreuen, pflegen, unterrichten, verhandeln.
  • Tätigkeiten, in denen Kreativität, Einfallsreichtum, aber auch kritisches Denken wichtig sind.
  • Der Trend zu mehr Individualität und hohes Qualitätsbewusstsein eröffnen neue Chancen in traditionellen Handwerken.

 

Bei aller Wichtigkeit digitaler und sozialer Kompetenzen darf eines nicht vergessen werden: Grundlage für die Beschäftigungsfähigkeit in einer sich rasch verändernden Arbeitswelt bildet ein gutes fachliches Fundament. Auf diesem können Spezialisierungen und Erweiterungen immer wieder neu und flexibel aufbauen.